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FAROUK EL-KHALILI: Noah, was hat dich gereizt, Schauspiel zu studieren?
DAVID NOAH LIEBSCHER: Einerseits kam das dadurch, dass ich in der Kindheit bereits Erfahrungen im Synchronschauspielen gemacht habe. Hinzu kamen Schulprojekte und das Fach Darstellendes Spiel in der Oberstufe. Außerdem lebe ich mich einfach gerne auf kreative und energetische Weise aus. Die Bühne ist dahingehend für mich ein Ort der Freiheit und eine Art Gegenpol zu meinem introvertierten Naturell.

Wie ist das Studium für dich und was gefällt dir am besten?
Ich tue mich immer schwer mit dem Wort Studium. Da denke ich eher zurück an die Zeit vor der Schauspielschule, als ich in Hörsälen saß und Formale Sprachen, Lineare Algebra und Programmieren in C auf der Tagesordnung standen. Damit ist das Schauspielstudium eben nicht zu vergleichen. Es erfüllt mich ganz einfach viel mehr. Ich brauche die- se körperliche und emotionale Betätigung. Dazu ist das Umfeld viel angenehmer, da auf unserer Schule eine nahezu familiäre Atmosphäre herrscht und man nicht Teil eines Studiengangs mit hunderten Studierenden ist. Am liebsten habe ich tatsächlich den Sprechunterricht, nicht zuletzt aufgrund meiner Synchronvergangenheit. Der Ehrgeiz, Artikulation, Stimmsitz, Atmung und Co. immer weiter zu ver- bessern, zu perfektionieren, bringt mir stets die nötige Motivation.

Fehlt dir etwas?
Ich würde mir noch mehr abstrakte Unterrichtsangebote wünschen, zum einen wären weitere Sportarten wie Fechten oder Bogenschießen sicherlich sinnvoll, zum anderen wären mehr weiterbildende Workshops wünschenswert, sei es zum Drehbuchschreiben oder zum Mikrofonsprechen.

In welchem Semester bist du gerade?
Ich habe kürzlich das vierte Semester abgeschlossen und damit noch drei Semester vor mir. Es ist schockierend, wie schnell die Zeit während der Ausbildung vergeht. Die Tatsache, dass ich schon über die Hälfte hinter mir habe, macht mich etwas traurig.

Du spielst ja gerade Theater, wie ist das für dich?
Wahnsinnig aufregend! Ich bin immer noch un- glaublich dankbar für diese Möglichkeit, die ich mehr oder weniger durch Zufall bekommen habe.

Außerdem lebe ich mich einfach gerne auf kreative und energetische Weise aus. Die Bühne ist dahingehend für mich ein Ort der Freiheit und eine Art Gegenpol zu meinem introvertierten Naturell.
Es muss doch möglich sein, dieser Leidenschaft gänzlich und hauptberuflich nachzugehen
und über die Runden zu kommen.

Es ist mit Sicherheit eine wertvolle Erfahrung, ein Stück so lange spielen zu dürfen und eine solche Routine mit einem festen Ensemble entwickeln zu können und in keiner Form mit jeglichen Arbeiten an der Schauspielschule zu vergleichen.

Bekommst du schon Angebote für Film und Bühne?
Nein, da ich noch nicht durch eine Agentur vertreten werde. Ab dem fünften Semester sollen wir anfangen, uns nach Agenturen umzusehen, einige meiner Kommiliton*innen haben natürlich auch schon welche. Ich bin allerdings auch völlig zufrieden damit, wie es jetzt ist und genieße die Zeit am Theater.

Welche Herausforderungen in der aktuellen Zeit beschäftigen dich am meisten?

Zuallererst finde ich es falsch zu sagen, dass Corona „vorbei” oder „überwunden” ist. Natürlich ist das ständige und unmittelbare Risiko nicht mehr gegeben, verglichen mit den vergangenen zwei Jahren. Aber es ist nach wie vor ein Thema, das mich beschäftigt. Das aktuellste Thema ist sicherlich die nationale Energiekrise, ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands. Obwohl ich nicht direkt mit den Auswirkungen dieser Krise konfrontiert bin, da ich noch zu Hause wohne, befasse ich mich durchaus mit den entsprechenden Thematiken; ich heize beispielsweise bewusster und effizienter. Die Inflation, die aus den steigenden Energiepreisen resultiert, bekomme ich da schon eher mit, auch wenn ich deutlich weniger Ausgaben habe, als jemand, der alleine lebt.

Könntest du dir auch vorstellen, alternativ ein zweites Standbein aufzubauen?

Schwierig zu beantworten. Allein die Tatsache, dass es von Vorteil, wenn nicht sogar notwendig
sein kann, ein zweites Standbein zu haben, zeugt davon, dass die Schauspielkunst in unserer Gesellschaft noch immer nicht sonderlich hoch angesehen zu sein scheint. Es muss doch möglich sein, dieser Leidenschaft gänzlich und hauptberuflich nachzugehen und über die Runden zu kommen. Neben dem Spiel im Theater, vor der Kamera sowie hinter dem Mikrofon bildet die Musik eine weitere Leidenschaft meinerseits, das wäre ein Bereich, in welchem ich mir am ehesten vorstellen könnte, nebenbei zu arbeiten.

Wohin willst du noch gehen? Wie siehst du deine Zukunft?
Ich sehe meine Zukunft tatsächlich vor allen Din- gen in der Synchronbranche, da ich meine Schauspielausbildung hauptsächlich begonnen habe, um in dieser wieder Fuß zu fassen.
Natürlich könnten sich durch mein Spiel am Theater weitere Arbeiten in diesem Bereich ergeben, was extrem erfreulich wäre. Die Arbeit vor der Kamera dürfte wohl meine niedrigste Priorität werden, trotzdem bleibe ich auch da selbstverständlich dran und werde alle Gelegenheiten nutzen, (weitere) Dreherfahrungen zu sammeln.

Welche Bühnen-, Film- oder Serienformate reizen dich besonders?

Mir liegen komische Stücke und Rollen, die mit sehr viel Energie agieren, tendenziell am meisten. Trotzdem oder gerade deshalb würde ich auch gerne dramatische Stücke mit verletzlichen Figuren spielen. Da ich mich, wie gesagt, für alles rund um die Musik interessiere, könnte ich mir sogar vorstellen, irgendwann mal Musicals oder Ähnliches zu spielen. In der Film- und Serienlandschaft würden mich Projekte im Bereich von Drama, Thriller und Mystery à la „Dark” reizen.

Vielen Dank für das spannende Gespräch, Noah.

 

NOAH DAVID LIEBSCHER
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