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FAROUK EL-KHALILI: Was bewegt dich zurzeit am meisten?
JOHANNES HALLERVORDEN: Das ist die Organisation des Spielplans bis zum Sommer und darüber hinaus bis in den September und Oktober hinein. Die Neuproduktion „Gut gegen Nordwind“ bewegt mich ebenso sehr, die ja am 11. Februar 2023 Premiere gefeiert hat und möglichst lange im Spielplan bleiben soll, ähnlich unsere Erfolgsproduktion „Corinna und David“. Dann natürlich die weitere Stückauswahl – welche Neuproduktionen in wel- cher Besetzung setzt man an? Zurzeit lese ich viele Stücke und versuche eben das zu finden, wovon ich sage: Das interessiert mich, das könnte die Zuschauer*innen interessieren. Aber auch im Sommer ist viel zu tun, wo ich beim Seefestival den Onkel Fester in „The Addams Family“ spielen werde. Da fangen die Vorbereitungen gerade an!

Wie hast du die Corona-Zeit überstanden?
Ich habe Livestreams für das Schlosspark Theater mitorganisiert und diese auch moderiert. Immer freitags haben wir den Livestream „Geist mit Humor“ gesendet. Das hat mir viel Spaß gemacht. Dann war ich sehr viel in der Natur unterwegs. Und wenn gerade kein Lockdown war, habe ich mich dann gerne noch abends mit Leuten getroffen. In den Möglichkeiten, in denen es erlaubt war, natürlich. Draußen im Freien und mit 1,50 m Abstand.

Wie hat sich die Theaterlandschaft danach verändert?
Alle Bühnen kämpfen mit einem massiven Publikumsschwund, das ist überall zu merken. Ich habe beim Seefestival letztes Jahr auch Ersatzprogramm spielen müssen, weil wir gebeutelt waren von sinkenden Zuschauerzahlen, von Coronafällen im Ensemble.
Da haben wir, Festivaldirektor Marten Sand und ich, statt dem großen Musical „Spamalot” eben vor 40, 50 Leuten unseren 2-Mann-Abend gespielt. Das war schon ein eindrücklicher Unterschied zu vorher. Umso mehr bin ich froh, dass mein Theater gerade so gut läuft.
Ich bin unglaublich dankbar für den Zuschauer*innenzuspruch, den wir momentan haben. Ich hoffe, dass sich das auch weiterhin hält.

Was hat dich dazu bewegt, ein eigenes Theater zu eröffnen?
Ich habe ja am 6. Mai 2021 das Theater Berliner Schnauze in Friedrichshain eröffnet. Ein kleiner, durchaus nicht ganz unegoistischer Beweggrund ist der, dass ich sagen wollte: Mensch, ich bin unabhängig, ich kann entscheiden, was ich spiele, mit wem ich spiele, unter wessen Regie ich spiele. Sprich wirklich ganz aktiv bestimmen, was ich selbst beruflich tue. Und das ist der wichtigere Punkt für mich: Mich interessiert als Schauspieler nicht nur das Spielen, sondern auch das Gestalten eines Spielplans. Wie setze ich was zusammen? Welche Schauspieler*innen setze ich mit welchem*er Regisseur*in zusammen? Welches Stück? Welche Gastspiele hole ich ran? Also das ist ja eine vielfältige Arbeit, die mir einfach großen Spaß macht. Deswegen habe ich mich dafür entschieden. Das war schon lange mein Wunsch und ich habe mir damit im Grunde ein bisschen meinen Lebenstraum erfüllt.

Wie siehst du die Zukunft der Kunst- und Theaterlandschaft in Deutschland?

Alle Bühnen kämpfen mit einem massiven Publikumsschwund, das ist überall zu merken.
Aber es sind Zusatzförderungen notwendig. Und wenn diese nicht vom Bund oder von den Ländern kommen, dann sieht die Zukunft der Theater, insbesondere der mittelgroßen Theater, sehr schwer aus.

Durch diesen enormen Publikumsschwund sind die Möglichkeiten begrenzt. Ich hoffe sehr, dass insbesondere für Berlin der Senat, aber auch, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen die kulturellen Institutionen entsprechend fördern werden. Dass es Ausgleiche geben wird, Zusatzförderungen geben wird. Der Publikumsschwund ist da, es regeneriert sich ganz langsam. Das merkt man auch. Dennoch ist er immer noch vorhanden. Aber es sind Zusatzförderungen notwendig. Und wenn diese nicht vom Bund oder von den Ländern kommen, dann sieht die Zukunft der Theater, insbesondere der mittelgroßen Theater, sehr schwer aus. Kleine Theater können sich halten, weil sie einen sehr diversen Spielplan machen können. Große Theater, Staatstheater können sich halten, weil sie hoch subventioniert sind. Mittelgroße Theater haben es als Zwischengröße ganz, ganz, ganz schwer in diesem Zusammenhang. Deshalb hiermit der Aufruf an alle Landesregierungen, insbesondere diese Theater zu fördern.

Wie siehst du deine eigene Zukunft und wo soll es hingehen?
Ja, Gott, meine Zukunft. Das werde ich häufig gefragt: Wo soll es hingehen? Meine Antwort ist eigentlich immer: Ich lasse mich dahin treiben, wo es mich hintreibt. Bisher hat mir das ganz gutgetan und ich will immer weiterkommen. Ich suche mir immer die nächste Herausforderung. Das ist das, was mich interessiert. Sei es nun, das Theater zu eröffnen oder die nächste große Rolle. Ich möchte immer die nächste Herausforderung, aber ich habe keine genauen Ziele, wo es hingehen soll oder Sonstiges. Ich möchte einfach als Nächstes das nächst Komplizierteste machen und Dinge voran- treiben. Darum geht es mir in dem Beruf.

War es schon immer dein Ziel, Schauspieler zu werden?
Ja, bei mir war es tatsächlich immer schon mein Ziel, Schauspieler zu werden. Ich habe sehr früh angefangen. Ich habe am 1.1.11, kann man sich leicht merken, meinen ersten bezahlten Bühnenauftritt hingelegt und seitdem hat man mich nicht mehr von der Bühne runterbekommen (lacht).
Ich bin dann spielsüchtig geworden, hab auch eine ganze Zeit lang viel gedreht und hab meinen Weg dahingehend gemacht, dass ich jetzt dieses Theater habe und betreibe und einen Riesenspaß daran habe. Ich wollte das schon immer und bin unglaublich froh, dass es geklappt hat, obwohl mein Vater mir auch immer davon abgeraten hat, das zu tun. Man muss immer sagen, es gibt in diesem Beruf nun mal fünfmal so viele Schauspieler*innen, wie benötigt werden. Tatsächlich. Also die Konkurrenz ist sehr, sehr hart.

 

Welchen Tipp gibst du angehenden Schauspieler*innen mit?
Ich gebe allen angehenden Schauspieler*innen den gleichen Rat, wie mein Vater mir gegeben hat, allerdings in abgemilderter Form.
Also eigentlich möchte ich euch zurufen, macht es nicht um Gottes willen! Es ist so viel Konkurrenz, und es ist ein hartes Handwerk. Ich sage, überlegt euch sehr gut, ob ihr das wirklich wollt. Überlegt euch sehr gut, ob ihr das wirklich könnt. Im Zweifel auch der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein. Überlegt euch, ob ihr euch das antun wollt, euer Innerstes nach außen zu kehren.
Seid ihr bereit, emotional einzusteigen? Seid ihr bereit, euch dem auszusetzen und natürlich auch: Seid ihr bereit, gegen eine derartig große Konkurrenz anzutreten, ohne diese aber als Konkurrenz, sprich Böses zu sehen? Das ist ganz, ganz schwierig in diesem Beruf. Deswegen sollte sich jede*r sehr, sehr genau überlegen: Ist es wirklich das, was ich will? Das sind die Punkte, die man sich durch den Kopf gehen lassen muss, ob man das emotional kann, ob man das handwerklich kann und ob man das letzten Endes auch wirklich möchte.

Wie war dein letzter Urlaub?
Mein letzter wirklicher Urlaub, das war im Juni, da bin ich zu mir nach Hause, nach Frankreich in die Bretagne gefahren. Und das war tatsächlich sehr schön, sehr entspannend. Ich habe sehr viele alte Freund*innen aus der Schulzeit wiedergesehen und hoffe, bald wieder hinzukönnen, sobald es die Zeit erlaubt. Aber momentan bin ich wirklich sehr, sehr fest eingebunden. Also vor Ende August wird es nichts und über ein Jahr lang nicht in der Heimat gewesen zu sein, das schmerzt, aber das bringt das Ganze dann doch mit sich.

Ich suche mir immer die nächste Herausforderung. Das ist das, was mich interessiert.

Was wird dein nächstes Stück sein?
Jetzt ist erst einmal „Gut gegen Nordwind“ dran. Da war ja am 11.02.2023 Premiere am Theater Berliner Schnauze bei mir, direkt am U-Bhf. Frankfurter Tor, in Friedrichshain.Das ist ein sehr, sehr schönes Projekt, bei dem wir technisch noch mal wirklich an die Grenzen des Machbaren gehen, bei uns im Theater Berliner Schnauze. Mit Videotechnik, Lichtund Tontechnik, Magnet-Auslösungen für Vorhänge und so weiter. Das ist wirklich eine heftige Num- mer mit hohen Produktionskosten. Ich gehe da ein großes Wagnis ein. Da freue ich mich wirklich sehr, dass alles funktioniert und dass es auch wirklich schöne Proben und Vorstellungen sind. Ich habe die großartige Regisseurin Irene Christ und ich habe die großartige Schauspielerin Johanna Marie Bourgeois an meiner Seite. Es macht großen Spaß und danach geht es dann auch schon direkt in den Sommer rein, in die „Addams Family“, wo wir in Wustrau nördlich von Berlin am Ruppiner See Open Air spielen werden. Da freue ich mich sehr drauf.

Vielen lieben Dank für das spannende Gespräch, lieber Johannes.

JOHANNES HALLERVORDEN
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