Ok, ich kenne einige Leute, die heute bereits Termine fur 2025 (und daruber binaus) in ihrem kalender Telefon notiert haben. Und damit sind nicht Politikerinnen gemeint, die schon jetzt für eine Hotelsuite in der Wüste Süd-Brandenburg anlässlich der „Klimakonferenz 2030“ gebucht sind.
Vorausschauende Planung ist zum Beispiel auch bei Ferienreisen schon länger selbstverständlich, ja geradezu notwendig, um sich rechtzeitig billige Flüge*, Hotels und Apartments zu sichern. Ob dann am Ende auch alles klappt, wird angesichts von Wetterphänomenen, politischen Krisen oder Pandemien jedoch immer öfter zu einem Risiko.
Aber das hält die meisten Weltenbummlerinnen nicht davon ab, an dieser Vorgehensweise etwas zu ändern. Wird schon nochmal gut gehen …
Dass auch bei Synchronisationen Schauspielerinnen oft sehr lange vorher gebucht, um nicht zu sagen geblockt werden, ist schon fast ein alter Hut. Gerade bei Serien wurden die kommenden Staffeln schon im letzten Jahr weit in das jetzige hinein geplant und an die Sprecherinnen durchgereicht.
Vorteil: Man darf sich schon auf zukünftige Einnahmen freuen. Nachteil: Die sog. „Blöcke“ können immer noch verschoben werden (auch kurzfristig), aber die konkreten Termine kommen dafür bekanntermaßen immer kurzfristiger. Aber wir haben ja grundsätzlich zugesagt. Und kleine Ändesrungen im Ablauf gehören eben zum Berufsrisiko.
Andererseits beanspruchen die Synchronproduzentinnen für sich selbst die größtmögliche Planungssicherheit. Dazu gehört neben den Zeiträumen, für die sie uns vorausschauend buchen (lassen), auch die Gewissheit, dass die Gagen stabil bleiben oder zumindest nur in geordneten Bahnen steigen. Genau das ist ja (unter anderem) Sinn und Zweck eines Tarifvertrags mit festgelegten Laufzeiten. Da so etwas jedoch seit Jahrzehnten nicht existiert, haben viele Synchronschauspielerinnen konsequenterweise ihre „Tarife“ individuell erhöht, was den Kostenfaktor Gagen in den Augen der Produzentinnen übermäßig, um nicht zu sagen, inflationär verteuert hat. Dass so keine Gewinne mehr erzielt werden können, versteht sich von selbst.
Weitblickend wurden zwar Studioneubauten geplant und zum Teil bereits realisiert, aber damals war das Schreckgespenst KI wohl erst noch verschwommen in der Kristallkugel zu erblicken. So schwankt die Stimmung jetzt zwischen „Forever young!“ und „This is the End!“. Werden die Synchronateliers schon bald verwaisen oder wird es noch ein paar goldene Jahre weitergehen? Diese Frage zuverlässig zu beantworten, wird doch für eine KI nicht allzu schwer sein, die dafür mit allen Fakten, Erfolgen und Versäumnissen der deutschen Synchronhistorie gefüttert werden kann. Denn schließlich brauchen wir doch alle ein bisschen Planungssicherheit.
Stefan Krause
Synchronisiert schon seit analogen Zeiten in Hamburg, München und (hauptsächlich) Berlin. Er ist seit Anbeginn Mitglied des IVS und der Gewerkschaft ver.di, seit 2007 in der Redaktion der UNSYNCBAR und seit 2019 in der SCHAUSPIEGEL-Redaktion.
Er lebt, liest und arbeitet autolos & mobil in Berlin-Kreuzberg.