Es gibt wenige Persönlichkeiten, die mit einer derart aggressiven und einhellig negativen kritik uberzogen werden wie der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Claus Weselsky. Dass das Streikrecht ein wichtiger Grundpfeiler der Arbeit demokratischer Gewerkschaften (bzw. von Gewerkschaften in einer Demokratie) ist, wird zwar theoretisch nur selten infrage gestellt, die Wahrnehmung dieses Rechts trifft aber ebenso selten auf breite Zustimmung. Streiken Erzieherinnen oder Lehrerinnen, geht es auf Kosten der armen Kinder und ihrer Eltern, streikt das Pflegepersonal im Gesundheitswesen, werden hilflose Patientinnen unverantwortlich gefährdet. Und sind Aktionen von Bus- und Bahnfahrerinnen schon unbeliebt, so wird das von einem Lokführerinnen-Streik noch getoppt, der die Bevölkerung völlig grund- und ruchlos in „Geiselhaft“ nimmt.
Wir halten fest: Gewerkschaften sind notwendig und wichtig, aber machen sich schnell bei den Qualitätsmedien unbeliebt, wenn sie auch gewerkschaftlich handeln. Ergebnis: Die herrschende (öffentliche) Meinung richtet sich gegen sie. Das sehen die oben genannten Kolleginnen zwar sicher anders, aber gegenseitige Toleranz, geschweige denn Empathie oder gar Solidarität für die Arbeitskämpfe der jeweils „Anderen“ ist rar geworden. Dafür überbietet sich der mächtige „Klub der Nichtmitglieder“ geradezu im Gewerkschaftsbashing, auch wenn man am Ende von den erzielten Ergebnissen (als Trittbrettfahrerin) profitiert. Aber das nur nebenbei …
Dass Streiks zwar grundsätzlich in Ordnung sind, aber leider fast immer nur „die Falschen“ treffen, und zur „falschen Zeit“ oder am „falschen Ort“ stattfinden, gehört zu den Standardargumenten – der Gegenseite. Wobei es oft erschütternd zu hören ist, wer sich diese Denkweise ebenfalls zu eigen macht. Zum Glück sind die bedauernden Mienen und die heftigen Krokodilstränen der arbeitgebenden Akteure meistens sichtlich schlecht geschauspielert und oft genug eine Beleidigung für unseren Berufsstand.
Auch von den beeindruckenden Streiks der US-amerikanischen Autorinnen und Schauspielerinnen waren hierzulande nicht alle begeistert. Zum einen Verleihfirmen, Sender und Streaming- portale, denen nach einiger Zeit der mangelnde „Nachschub“ zu schaffen machte, sowie die Konsumentinnen, die ungeduldig auf angekündigte Filme und die Fortsetzungen ihrer Lieblingsserien warteten. Und nicht zuletzt war es auch in der Synchronbranche zu spüren, weil doch nicht genug in den „Schubladen“ der Auftraggeberinnen vorhanden war, um die Lücken aufzufüllen. Fazit: „Die da … streiken, aber wir haben nichts mehr zu tun!“ Aber das hörte man zum Glück nur von wenigen. Der Rest war solidarisch. Waren wir doch, oder?
Stefan Krause
Synchronisiert schon seit analogen Zeiten in Hamburg, München und (hauptsächlich) Berlin. Er ist seit Anbeginn Mitglied des IVS und der Gewerkschaft ver.di, seit 2007 in der Redaktion der UNSYNCBAR und seit 2019 in der SCHAUSPIEGEL-Redaktion.
Er lebt, liest und arbeitet autolos & mobil in Berlin-Kreuzberg.