Ich betrachte mein Umfeld und sehe lauter Frauen, die ins Hadern Kommen, sobald sie Mutter werden. Sie hardern, weil sie nur „so viel arbeiten, wie halt geht“. Weil „am Ende des Monats, auch bei einer 70/80 oder 100 Prozent Stelle sowieso nicht viel mehr Geld rauskommt“, weil sie ihre „Leidenschaft nicht in der Kreativen Gestaltung der morgendlichen Brotdose“ finden, weil ihre bisherige Berufsrealität schlicht mit der neuen familiären Situation schwer vereinbar scheint. Besonders eindrucksvoll ist mir die Beschreibung einer Freundin hängengeblieben: „Ich, die sich immer für fortschrittlich, emanzipiert und modern hielt, finde mich auf ein- mal in einem Familienmodell der 50er Jahre wieder. Wie konnte das passieren?“
Die Lebensrealität meiner Großmutter vor etwa 70 Jahren, einer studierten Künstlerin und Mutter in Westdeutschland, zeigt deutlich die Beschränkungen, denen Frauen in dieser Zeit unterworfen waren. Als klassische „Hausmutter“ war sie den Aufgaben in Ehe und Familie gesetzlich verpflichtet. Eine berufliche Selbstverwirklichung als Textildesignerin wurde schnell zu einem unerfüllbaren Traum. Ihre künstlerische Tätigkeit beschränkte sich auf nächtliche Stunden, begleitet von einer bitteren Traurigkeit. Das Bedürfnis meiner Großmutter war einfach: Gleichbehandlung. Obwohl das Ehepatriarchat Ende der 50er Jahre offiziell aufgelöst wurde, konnte dies im Kontext der Hausfrauenehe nur als Farce betrachtet werden. Es dauerte bis 1977, bis ebendiese aus dem BGB getilgt wurde und der Text nun „Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen.” lautete. Ganz großzügig hat sich der Staat dann etwa 20 Jahre später dazu durchgerungen, sein Gesetz um einen Satz zu erweitern, der da lautet: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.” Wir sind jetzt im Jahre 1994, man könnte fast meinen, die Bedeutung von Gleichberechtigung wurde gerade erst entdeckt. Meine Mutter, als Tochter meiner Großmutter, vermittelte mir, bloß das zu tun, was meiner Leidenschaft und meinen Talenten entspräche, alles andere würde sich danach richten. Diese Position konnte sie aber nur vertreten, da sie von Selbstverständlichkeit ausging: der selbstverständlichen Gleichbehandlung, der zweifelsfreien Unterstützung berufstätiger Mütter, der fraglosen Bereitstellung von notwendigen Informationen und dem barrierefreien Zugang zu funktionierender Infrastruktur. Leider, für meine Laufbahn als Schauspielerin, eine idealisierte Wunschvorstellung der Realität. Ein weiterer Traum.
Als studierte Künstlerin und Mutter in Westdeutschland im 21. Jahrhundert könnte ich denken, dass wir im Zeitalter der Geschlechtergleichheit angekommen sind. Dennoch erlebe ich als heterosexuelle cis Frau immer noch reichlich Benachteiligungen. Die partnerschaftlichen Verhandlungen in meinem Freundeskreis drehen sich hauptsächlich um die Verteilung von Arbeitszeiten, familiären Aufgaben und Kinderbetreuung. Ich beobachte, dass tendenziell eher die Mütter dazu neigen, einen Teil ihrer Arbeitszeit abzugeben, um sich den häuslichen Aufgaben zu widmen. Durchaus getrieben von einem subtilen, aber präsenten schlechten Gewissen. Verantwortlich dafür sind möglicherweise die gar nicht so veralteten Vorbilder und die tief verwurzelten, soziokulturell vermittelten Narrative. Ein schlechtes Gewissen oder das unreflektierte Leitbild der HausMutter als Antriebsfeder, verspricht keine hoffnungsfrohe Zukunft, besser aufgestellt wären wir mit einer chancengleichen Position, die es uns ermöglicht frei und selbstbestimmt zu entscheiden. Wie kommen wir dorthin? Indem wir uns nicht dafür rechtfertigen, dass wir unseren Beruf lieben und ihn trotz aller Herausforderungen mit Kindern gerne weitermachen möchten. Aufhören, zwischen Wichtigkeit des Jobs und Kindeswohl abzuwägen. Kinder müssen so betreut und versorgt sein, dass wir entspannt und lustvoll unserer Arbeit nachgehen können. Keine Angst davor haben, nicht mehr angefragt zu werden, weil Kinder im Haushalt leben. Wir müssen sorglos mitteilen, dass wir schwanger sind oder ein Baby dabei haben, das noch gestillt wird. In dem uns bewusst wird, dass wir bereits alles geben und dafür Wertschätzung verdienen. Wir ziehen Kinder groß, die für den Erhalt und das Wachstum der gesamten Gesellschaft beitragen (und die Rente für die Kinderlosen mittragen). Wir müssen das gleiche Gehalt fordern, das unsere männlichen Kollegen für die gleiche Arbeit bekommen. Wir lassen uns nicht bevormunden und treffen Entscheidungen aus freiem Willen. Diskriminierungen werden konsequent angezeigt. Wir setzen alles daran, die AfD aufzuhalten und schützen uns somit vor einem potenziellen Rückstoß in die Realität meiner Großmutter. Soweit der Traum des unbeugsamen Einstehens für unsere Rechte.
Dass wir kunstschaffenden Mütter nicht die Einzigen sind, bei denen Wunsch und Wirklichkeit auseinander driften, zeigt eine Studie des Instituts für Wirtschaft (IW) aus dem Jahr 2021: 40 Prozent der Frauen in Deutschland, die nicht arbeiten, geben als Grund für ihre Erwerbslosigkeit mangelnde Kinderbetreuung an. Während sich die Themen bei konventionelleren Arbeitsrealitäten jedoch stärker auf die Gestaltung des direkten Arbeitsumfeldes und auf die gesellschaftlichen Narrative bezieht bezieht – beispielsweise die Regelungen von Arbeitszeiten/Gleitzeiten/Homeoffice, sowie die Beurteilung individueller Familienmodelle/Verurteilung berufstätiger Mütter/Gleichbehandlung –, geht es in unserer Branche als Erstes um die Schaffung funktionierender Strukturen, die die Realitäten unserer Arbeit anerkennen. Die fehlenden konkreten Umsetzungsstrategien sind problematisch, und die Anerkennung unserer Arbeitsrealitäten ist der erste Schritt zur Entwicklung nutzbarer Systeme.
Kunst und Kultur sind eine wichtige Nahrungsquelle unserer Gesellschaft, daher ist es im Interesse eines demokratischen Rechtsstaats, die notwendigen Rahmenbedingungen für künstlerische Berufe zu schaffen. Im zuständigen Gesetz (Paragraf 24, SGB 8) heißt es buchstäblich „bedarfsgerechte Betreuung“. Ich zitiere gerne auch hier noch einmal Frau Giffey, die als amtierende Familienministerin gute Betreuung keine Frage der Uhrzeit ist“ ausrief. Dass weder die betroffenen Eltern, noch Arbeitgeber*innen und nicht mal die Mitarbeitenden in den relevanten Ämtern eine Idee zur Umsetzung dieser Gesetzestexte haben, ist besorgniserregend. Es führt kein Weg daran vorbei, wir müssen uns bewegen.
Am besten alle gemeinsam. Lasst uns aus den Träumen erwachen und die Wirklichkeit gestalten.
Liebe HausMütter2024,
Lasst uns mutig sein und uns gegenseitig stärken.
Lasst uns füreinander da sein und aufhören zu schweigen.
Lasst uns unsere Rechte kennen und selbstverständlich dafür einstehen.
Lasst uns gleichermaßen Freude an der Mutterschaft und an beruflichem Erfolg haben!