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Warum bist du BFFS-Regionalpat*in geworden und welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Ich gehe noch einen Schritt zurück, weil mir bei der Frage gleich einfiel, weshalb ich 2006 überhaupt Mitglied im BFFS wurde. Ich war als Besucher bei ein paar Stammtischen und fand es einfach toll, mich nicht mehr als Einzelkämpfer in dieser ganzen Film- und Theaterlandschaft zu fühlen, sondern als Teil einer, ich sag’s jetzt mal etwas romantisch, Art „Familie“. Da waren plötzlich ganz viele Menschen, die sich mit den gleichen Fragen herumgeschlagen haben wie ich selbst. Als ich dann 2011 vom damaligen Team gefragt wurde, ob ich nicht Lust hätte, als Pate mitzuarbeiten, war ich sofort dabei. Ich wollte für dieses „Familiengefühl“ gerne etwas zurückgeben und fand es auch spannend, ein bisschen über den Tellerrand schauen zu können. Ich hatte damals genau aus diesem Grund mit dem Gedanken geliebäugelt, vielleicht einer politischen Partei beizutreten. Den Blick über den Tellerrand dann in unserem Berufsverband zu bekommen, klang noch viel verlockender. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass mich so trockene Themen wie Sozialversicherung oder ganz generell die – ich nenne es – „Schauspielerselbstverwaltung“ am meisten interessieren. Dazu gehören dann natürlich all die Themen, die vom BFFS für unsere ganze Zunft beackert werden. Tarifverträge, GVRs, Gesetzgebungsverfahren, sowas alles. Ich finde, wir haben da als Verband bzw. inzwischen ja sogar Gewerkschaft innerhalb relativ kurzer Zeit sensationell viel erreicht. Errungenschaften, von denen alle Schauspieler*innen profitieren.

Was macht dir an der Arbeit als Regionalpat*in besonders Spaß?
Ich finde nach wie vor unsere Stammtische super. Es macht Spaß, sie mit vorzubereiten oder zu moderieren und ich liebe es, mit den anderen Pat*innen zusammenzusitzen und auszuhecken, was wir so in nächster Zeit machen könnten. Überhaupt hatte ich das Glück, hier in München immer mit tollen Leuten zusammenarbeiten zu dürfen. Wir hatten ja dieses Jahr einen großen Wechsel im Münchner Regionalteam und ich muss gestehen, die „alten Hasen“ vermisse ich manchmal sehr, aber auch mit dem neuen Team macht es schon wieder richtig Spaß! Coole Truppe. Außerdem ist es ein gutes Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein und sich mit den Pat*innen aus den anderen Regionen und den Kolleg*innen aus dem Vorstand vernetzt zu wissen.

Wie habt ihr als Regionalpat*innen-Team die Stammtische durch die Corona-Zeit gebracht?
Das ist mir extrem schwergefallen. Ich konnte dieser ganzen Online-Welt nur wenig abgewinnen und war froh, dass da andere in die Bresche gesprungen sind. Und das ist ja bundesweit geschehen. Aber gefühlt hatten wir nach Corona schon etwas Schwierigkeiten, unsere Stammtische wieder in Schwung zu bringen. Das brauchte einfach seine Zeit. Allerdings glaube ich auch, dass ganz viele Kolleg*innen total froh sind, dass wir uns wieder live treffen. Mir geht es auf jeden Fall so.

Wenn du kein*e Schauspieler*in geworden wärst, welchen Beruf hättest du alternativ gewählt?
Ist natürlich eine etwas akademische Frage. Ganz konkret habe ich schon in der Schulzeit und als junger Erwachsener viele Jahre bei der Evangelischen Jugend und im Deutsch-Französischen Jugendwerk als ehrenamtlicher Betreuer mitgearbeitet. Damals hätte ich mir schon vorstellen können, diesen Weg beruflich weiterzugehen. Ich hatte auch konkrete Pläne für ein Medizinstudium. Aber dann wollte ich erstmal in die Theaterwelt reinschnuppern. Nachdem ich zwei Jahre als Bühnenbild- und Regieassistent am Bremer Theater gewesen war, kam ich vom Theater nicht mehr los, und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Schon in der Schule hatte sich herauskristallisiert, dass ich einen Beruf anstrebe, bei dem man in Projekten arbeitet. Dieses „Vor einem Berg stehen und dann den Gipfel erklimmen“ war damals schon mein Ding. Das liebe ich heute noch an meinem Job. Egal, ob als Schauspieler oder in der Synchronregie.

Gibt es eine Erfahrung, die dein Leben nachhaltig verändert hat?
Das war die Begegnung mit zwei besonderen Menschen. Der erste war mein Französischlehrer am Gymnasium. Er hat mit uns einen unfassbar kreativen Unterricht gemacht. Wir haben zum Beispiel einen Film mit ihm geschrieben und gedreht. Gemeinsam mit einer französischen Partnerklasse aus Straßburg. Wir mussten natürlich auf Französisch spielen. Die Franzosen auf Deutsch. Danach wurde im Sprachlabor alles wieder umgekehrt synchronisiert. Wir ins Französische, die Franzosen ins Deutsche. Mann, war das ein Spaß! Oder er hat uns in die Straßburger Fußgängerzone geschickt, um eine Umfrage mit Passanten zu machen. Unsere Fragen sind wir noch gut losgeworden. Das Problem war nur: Die Leute haben auch geantwortet. Auf Französisch! Das war ein klassischer Sprung ins kalte Wasser. Die zweite prägende Begegnung war mit dem Jugendreferenten der Evangelischen Jugend, bei dem ich meine ehrenamtliche Arbeit machen durfte. Er war später auch mein Chef im Zivildienst. Ein toller Mensch, der nicht nur mich, sondern im Laufe seiner Arbeit ganz viele junge Menschen unglaublich inspiriert hat, dem Leben mit offenen Armen zu begegnen. Er ist leider mit Anfang 50 und viel zu früh verstorben. Mit dem Französischlehrer bin ich heute noch befreundet.

Was sollte ein*e Schauspieler*in unbedingt können?
Ich glaube, eine riesige Herausforderung für uns ist es, sich den äußeren Umständen zu stellen, die manchmal wirklich hart sein können. Die Arbeit konfrontiert uns ja oft mit unserer eigenen Unzulänglichkeit, mit Grenzen, auch persönlichen, an die wir permanent stoßen. Und auch mit der Unfreundlichkeit dieser Welt. Wir wünschen uns ein Engagement am Theater und unsere Bewerbungen finden keine Beachtung. Wir würden gerne für Filmrollen besetzt werden, aber keine Sau ruft an. Und wenn wir einen Job haben, werden wir nicht immer pfleglich behandelt oder miserabel bezahlt. Und all das müssen wir vergessen können, wenn wir dann das tun, was wir eigentlich tun wollen. Spielen! Dann müssen wir durchlässig sein. Kreativ. Offen für unsere Spielpartner*innen. Das ist fast schon ein Paradoxon, und ich habe viele wundervolle Kolleg*innen erlebt, die diesen Zwiespalt nicht ausgehalten und sich nach jahrelangem Kampf dann doch für einen anderen Beruf entschieden haben.

Welche Persönlichkeit beeindruckt dich und warum?
Da denke ich vor allem an Menschen, die bereit sind, für ihre Überzeugungen alles oder fast alles zu riskieren. Ein prominentes Beispiel sind die Geschwister Scholl, die ihren Mut mit dem Leben bezahlt haben. Oder auch die vielen – meist unbekannten – Frauen (und Männer), die im Iran für die Freiheit einstehen, sich in der Öffentlichkeit ohne Kopfbedeckung bewegen zu dürfen. Sie riskieren ihre Unversehrtheit, ihre Freiheit oder sogar ihr Leben. Oder Journalist*innen und Oppositionspolitiker*innen in der Türkei, die es wagen, ihre Meinung offen zu äußern und dafür ins Gefängnis gesteckt und gefoltert werden. Ich glaube nicht, dass ich in einer ähnlichen Situation diesen Mut und die Beharrlichkeit aufbringen könnte.

Wenn du ein Video von einer Situation aus deinem Leben haben könntest, welche Situation würdest du wählen?
Da war ich Anfang zwanzig und hatte vier Monate in einem kleinen Skiort in den französischen Alpen als Skilehrer gearbeitet und durfte jeden Tag sechs Stunden auf die Bretter. An einem meiner letzten Tage dort hatte es frisch geschneit und ich hatte einen freien Tag. Da konnte ich alleine mit den Skiern losziehen. Ich war nach der langen Zeit ziemlich trainiert und „eingespielt“. Die Abfahrten, die ich an diesem Tag gemacht habe, fühlten sich an, als wäre ich eins mit der Natur. Das würde ich mir heute gerne nochmal ansehen. Wahrscheinlich wäre ich von den Bildern enttäuscht, aber das Gefühl war damals überwältigend.

Welche Serie/Film hat dich in der Kindheit geprägt?
Das ist einfach zu beantworten, ganz eindeutig „Raumschiff Enterprise“. Wir sprechen ja hier von einer Zeit, als es nur drei Fernsehprogramme gab und um Mitternacht ein Testbild ausgestrahlt wurde. Da gab es einen festen Termin in der Woche. Das war der Samstagnachmittag mit Mister Spock, Captain James T. Kirk, Pille, Scotty, Uhura, Mister Chekov und Mister Sulu. Es gibt ein Foto von mir vom Schulfasching 1972. Da hab ich mir selbst Spitzohren genäht und meinen Frottee-Pyjama zu einer Uniform umfunktioniert. „Friede und ein langes Leben!“

Matthias Kupfer
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