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Die KI nutzt Algorithmen, um Texte, Bilder, Videos und Musik zu erzeugen. Man spricht dann von „generativer KI“. Die KI ist ohne Zweifel auch eine Herausforderung für die Filmproduktion im Allgemeinen und für Synchronkreative im Besonderen. Die Folgen sind noch nicht absehbar, aber Tendenzen werden deutlich. Für die Internet- und IT-Industrie werden die KI-Modelle ein gewinnbringender Segen sein. Aber auch der Fluch eilt der KI-Industrie voraus. Neue Märkte und Monopole entstehen und die Urheber*innen und Künstler*innen scheinen den Auswirkungen machtlos gegenüberzustehen.

Die Gefahren der KI für das Urheberrecht sind ganz offensichtlich, wenn man bedenkt, dass eine Maschine Texte, Bilder, Musik und menschliche Stimmen erzeugen kann. In Publikationen werden häufig KI-Modelle genannt, die aufhorchen lassen. So kann das KI-Modell Chat GPT Texte verfassen, die nicht von einer natürlichen Person verfasst wurden. Ebenso scheint es beliebt zu sein, dass KI-Bildgeneratoren wie Stable Diffusion aus den USA dazu benutzt werden können, Stile von Einzelpersonen zu kopieren. Der bekannte Fall „Rembrandt“ verblüffte die Öffentlichkeit, obwohl das Bild nicht von Rembrandt stammte. Erste Klagen wegen Verletzung des Urheberrechts sind die Folge. Neben dem Urheberrecht ist aber auch die ethische Frage entscheidend – wo bleibt der Mensch? Der Deutsche Ethikrat hat im März 2023 in seiner umfassenden Stellungnahme „Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz“ klargestellt: Ziel und Richtschnur ethischer Bewertung muss immer die Stärkung menschlicher Autorschaft sein. Diesem Statement hat sich auch jüngst der Deutsche Kulturrat angeschlossen und die Politik zum Handeln aufgefordert. Gemeinsam mit der Initiative Urheberrecht hat auch der BFFS klare Forderungen an die Politik formuliert.

In der Synchronbranche wird es mittlerweile ermöglicht, dass Stimmen von Schauspieler*innen als Trainingsdaten verarbeitet werden, die den Originalschauspieler*innen zugeordnet werden können. Die Vorstellung, dass ein ausländischer Film nicht von Originalschauspieler*innen synchronisiert wird, sondern von einer Maschine, ist befremdlich. Nicht nur die sozialen Folgen können dramatisch sein. Sowohl für die Kulturschaffenden als auch für das Publikum. Der Film als Kunstprodukt muss völlig neu definiert werden. Es bleibt in der Zukunft schwer vorstellbar, wie ein artifizielles System eine genuin menschliche Fähigkeit technisch nachahmen und reflektieren kann. Das „Spiel“ der „künstlichen“ Schauspieler*innen erschöpft sich dann in Adaption und Nachahmung. Vorbild dieser Nachahmung sind Leistungen von „echten“ Kreativen.

Ziel und Richtschnur ethischer Bewertung muss immer die Stärkung menschlicher Autorschaft sein.

Mit der KI sind vor allem Schutzrechte des geistigen Eigentums betroffen, wozu auch das Urheberrecht gehört. Die KI lernt von echten Leistungen und Werken, indem eine Vielzahl von Bewegungs- und Stimmprofilen ausgelesen wird. In den meisten Fällen ohne Wissen bzw. ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen. Fraglich ist, ob die bestehenden Rechtsinstitute des Urheberrechts ausreichen oder neu konzipiert werden müssen. Die transdisziplinären Bezüge der KI lassen in der Kunst, Literatur und Wissenschaft keinen Tunnelblick zu.

In jedem Fall bedarf es eines intensiven Dialogs zwischen allen Beteiligten. Nicht nur untereinander, nicht nur zwischen den Kultur- schaffenden, auch mit der politischen Ebene und denjenigen, die diese neuen KI-Dienste anbieten

Es sind verschiedene Schutzrechte auf den Prüfstand zu stellen, die Rechte der ausübenden Künstler*innen betreffen:

1. Für die betroffenen Künstler*innen ist es zunächst von Bedeutung, welche vertraglichen Bedingungen existieren, die es erlauben, dass das Bildnis und die Stimme durch ein KI-Modell benutzt werden können. Sollten solche Klauseln in Standardverträge implementiert worden sein, könnte das einen Verstoß gegen die Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedeuten. Der Gedanke, dass sich bei einem Vertragsschluss in der Filmbranche zwei gleichberechtigte Partner gegenüberstehen, ist im Grundsatz abwegig. Es muss daher sichergestellt werden, dass die Betroffenen gänzlich freiwillig und losgelöst von sonstigen vertraglichen Bedingungen bestimmen können, ob ihre Persönlichkeitsmerkmale von KI verwendet werden dürfen. Transparenz ist hier das Gebot der Stunde.

2. Häufig wird übersehen, dass die Stimmen der Schauspieler*innen auch Bestandteil des verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsrechts ist.

Eine Übertragung dieses Rechts wäre nur mit Einwilligung der Schauspieler*in möglich. Die Nachahmung der Stimme außerhalb des privaten Bereichs wäre ein schwerer Eingriff in dieses Recht, vor allem dann, wenn die Verwertung unter kommerziellen Aspekten erfolgt, was in der Filmproduktion der Regelfall ist.

3. Der Bildnisschutz gehört ebenso zu den bedeutenden verfassungsrechtlich verbrieften Persönlichkeitsrechten. Während bei der Originalfilmschauspieler*in sowohl die Stimme als auch das Bildnis eine Einheit bilden, tritt bei der Synchronschauspieler*in nur die Stimme in den Vordergrund.

4. In der Diskussion über die Folgen der KI wird häufig ausgeblendet, dass der Gesetzgeber den ausübenden Künstler*innen neben den Persönlichkeitsrechten eigene vermögensrechtlich relevante Rechte zugewiesen hat. Die Verarbeitung und Speicherung der Trainingsdaten als Input, etwa Bildnis oder Stimme, ist immer mit dem Vervielfältigungsrecht verbunden. Dieses Recht ist ein Kernrecht im Urheberrecht. Vermögensrechtlich wird es dann interessant, wenn die Stimme oder/und das Bildnis öffentlich in der analogen Welt und online im Inter- net wiedergegeben wird.

Da sich in der Zukunft der Konflikt zwischen den KI-Unternehmen, etwa Internetgiganten, wie Google, und den Künstler*innen zuspitzen wird, ist zu überlegen, wie eine Lösung aussehen könnte. Soweit es die Vermögensrechte betrifft, wären Lizenzvergütungen denkbar. Möglich wäre auch eine finanzielle

Abgeltung über die Verwertungsgesellschaften (wie zum Beispiel die GVL). In jedem Fall bedarf es ei- nes intensiven Dialogs zwischen allen Beteiligten.

Nicht nur untereinander, nicht nur zwischen den Kulturschaffenden, auch mit der politischen Ebene und denjenigen, die diese neuen KI-Dienste anbieten. Die Sorgen, Nöte und Interessen müssen ausgetauscht und zu einem Interessenausgleich gebracht werden. Auf diesem Weg werden viele Fragen zu beantworten sein – auch solche, derer wir uns heute noch gar nicht bewusst sind. Der Bundesverband

Schauspiel hat hier die ersten Schritte unternommen und einen Dialog mit den in der Synchronbranche tätigen Unternehmen in diesem Feld angestoßen.

Dr. Till Valentin Völger
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ist seit über 20 Jahren als Synchronschauspieler tätig. Er studierte Rechtswissenschaften an der der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte im Fachbereich Urheberrecht. Mitte 2014 wurde Völger
in den Beirat der GVL berufen, von 2015 bis 2018 war er Vorstandsvorsitzender des InteressenVerband Synchronschauspieler e.V. (IVS). Seit Verschmelzung des IVS mit dem BFFS gehört er dem Vorstand des BFFS an. Sein zweites juristisches Staatsexamen legte Völger im Februar 2020 ab.

PROF. I.R. DR. ARTUR-AXEL
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