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Seit Anfang Mai streiken die Mitglieder der Writers Guild of America (WGA), die Gewerkschaft der Film- und Fernsehautor*innen vertritt über 11.500 Mitglieder in den USA. Das betrifft viele, wenn nicht sogar die Mehrzahl der Fernsehproduktionen: von Talkshows über Seifenopern bis hin zu Filmen. Mitte Juli sind außerdem noch die Schauspieler*innen, die in der Gewerkschaft Screen Actors Guild (SAG-AFTRA) organisiert sind, in den Streik getreten. Das ist der erste Streik von Autor*innen und Schauspieler*innen in den USA seit mehr als 60 Jahren, der zeitgleich stattfindet. Und diese Streiks wiederum haben auch Auswirkungen auf den deutschen Synchronmarkt. Denn auch wenn nicht alle Produktionen, die in Deutschland synchronisiert werden, aus den USA kommen, so ist es doch ein Großteil.

Die Gegenseite hat diesen Bedingungen bisher eine Absage erteilt und schlägt stattdessen regelmäßige Gespräche über die weitere technische Entwicklung vor.

Bei dem letzten großen Streik der WGA, von Herbst 2007 bis Anfang 2008, der über 100 Tage dauerte, gab es deshalb auch massive Konsequenzen für den Synchronmarkt, weil Dreharbeiten von Serien nicht weitergeführt bzw. für mindestens drei Monate unterbrochen werden mussten. Einige Serien hatten dadurch deutlich verkürzte Staffeln, wie beispielsweise „Lost“, „Big Bang Theory“ oder „Grey’s Anatomy“, was man mit zeitlichen Verzögerungen auch an der Auftragslage zu spüren bekam. Aufnahmetermine wurden weit nach hinten verschoben oder ganz abgesagt.

Der damalige Streik hatte immense wirtschaftliche Folgen und kostete nicht nur die Filmindustrie über zwei Milliarden Dollar. Dies alles lässt vermuten, dass die Bedeutung der Autor*innen für die Filmwirtschaft immens ist: ohne Autor*innen keine Drehbücher, ohne Drehbücher keine Dreharbeiten usw. Der letzte Streik der US-amerikanischen Schauspieler*innen liegt deutlich länger zurück; er fand 1980 statt und dauerte damals etwas mehr als drei Monate.

Doch wie lauten eigentlich die Forderungen der bei- den Gewerkschaften? Wieso bzw. wofür streiken die US-amerikanischen Autor*innen? Den Mitgliedern der WGA geht es einerseits um Regulationen bezüglich Künstlicher Intelligenz und andererseits auch um angemessene und höhere Vergütungen. In Bezug auf die Künstliche Intelligenz fordert die WGA, dass Programme wie ChatGPT und andere nur zur Ergänzung und Recherche genutzt werden dürfen, aber nicht um die Arbeit der Autor*innen zu ersetzen. Es soll vertraglich festgehalten werden, dass mit Hilfe von KI nicht aus alten Drehbüchern neue erstellt werden, wenn es dafür nicht zumindest eine neue Vergütung gibt. Auch sollen alte Drehbücher nicht zum Training von KI genutzt werden dürfen. Die Gegenseite hat diesen Bedingungen bisher eine Absage erteilt und schlägt stattdessen regelmäßige Gespräche über die weitere technische Entwicklung vor.

Durch kürzere Staffeln sinken außerdem die Einnahmen der Autor*innen, die nach Episoden bezahlt würden. Die Verkürzungen liegen zum einen an den Auftraggeber*innen – sogenannte „Mini-Serien“ mit sechs bis zehn Folgen sind inzwischen keine Seltenheit mehr – und zum anderen an Kosteneinsparungen. Auch die Arbeitsbedingungen hätten sich immer weiter verschlechtert. Und da es nach fast zweimonatigen Verhandlungen mit den Auftraggeber*innen zu keiner Einigung gekommen ist, haben die Mitglieder der WGA für den unbefristeten Streik gestimmt.

Die zunehmende Bedeutung der Streamingplattformen spiegelt sich ebenfalls in den Forderungen der WGA wider. So fordert sie ein höheres Gehalt sowie eine Gewinnbeteiligung bei erfolgreichen Produktionen von Netflix und Co. Filme und Serien würden dort teilweise jahrelang gestreamt werden, die Autor*innen erhielten aber keine Beteiligung. Aufgrund der weltweiten Inflation seien die Gehälter real sogar gesunken, weswegen eine Erhöhung sowie eine Gewinnbeteiligung mehr als nötig und angemessen wären. Und viele dieser Forderungen klingen erschreckend vertraut. Denn auch hier kämpfen die Kreativen um angemessene Gagen und eine Beteiligung an den Streaming-Erlösen.

Die Forderungen der Schauspieler*innen überschneiden bzw. decken sich sogar überwiegend mit denen der Autor*innen. Auch die schauspielenden Kolleg*innen leiden unter verkürzten Staffeln und fordern ganz klare Regelungen bezüglich der Nutzung von KI. Viele Schauspieler*innen verdienen deutlich weniger als die großen Stars und können sich nur durch zusätzliche Jobs finanzieren. Die Forderungen nach gerechter und angemessener Bezahlung ist auch einer der Gründe, wieso Kolleg*innen wie Meryl Streep und George Clooney den Streik mit Spenden unterstützen.

Und viele dieser Forderungen klingen erschreckend vertraut. Denn auch hier kämpfen die Kreativen um angemessene Gagen und eine Beteiligung an den Streaming-Erlösen.

Ein (erstes) Opfer des aktuellen Streiks wird wohl die Serie „Metropolis“ sein – sie wurde erstmal auf Eis gelegt, was neben den gestiegenen Produktionskosten auch an dem Streik liegen soll. Als Anfang 2020 die Filmstudios wegen der Covid-Pandemie stillstanden, kam es in der Synchronbranche überraschenderweise zu keinem merklichen Auftragseinbruch. Offensichtlich hatten die Streamingdienste und Sender genügend Material in den Schubladen liegen. Und auch jetzt behaupten sie, vorsorglich Drehbücher eingekauft zu haben. Oder sie haben noch Material „übrig“, weil sie – um Kosten zu sparen – Produktionen vorzeitig gestoppt hatten? Klar ist, dass die Studios in Amerika momentan durch den Doppelstreik stillstehen. Welche Auswirkungen das auf den deutschen Synchronmarkt haben wird, bleibt abzuwarten.

Es ist dennoch gut und wichtig, dass die beiden Gewerkschaften und ihre Mitglieder in den USA streiken und richtig, dass auch die hiesigen Kreativen und Verbände diese Streiks unterstützen. Denn die Interessen der aktuell streikenden US-Kolleg*innen und unsere sind sich ziemlich ähnlich. Mit den Leistungen tausender Kreativen wird jede Menge Geld gemacht. Eine faire Entlohnung und eine angemessene Beteiligung an Gewinnen sind also keine unrealistischen Forderungen.

ILONA BROKOWSKI
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ist in Berlin geboren, ist Diplom-Psychologin und arbeitet seit 27 Jahren als Synchron- schauspielerin. Seit einigen Jahren ist sie außerdem als Dialogbuchautorin und Synchronregisseurin tätig. Sie hat 2006 die Redaktion der UNSYNCBAR mitgegründet und nach Verschmelzung von IVS und BFFS wurde sie Teil der Redaktion des SCHAUSPIEGELS. Ihr Hauptaugenmerk lag und liegt darauf, die Kommunikation in der Branche

zu verbessern. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.