
Es ist schon erstaunlich, welchen Wandel das Image das „Synchonsprechens“ in den letzten Jahrzehnten durchgemacht hat: In früheren Zeiten synchronisierten fast ausschließlich Schauspieler*innen, die gleichzeitig bzw. eher hauptberuflich an Theatern engagiert waren. Eine Dispositionsliste der 60er und 70er Jahre las sich oft wie ein „Who is Who?“ deutscher Bühnenstars. Und da es damals noch keine Abendschichten gab, waren Theatervorstellung und Synchronstudio auch terminlich vereinbar …
Obwohl das Synchronisieren ein wichtiger Teil der Arbeit (und des Einkommens) vieler Schauspieler*innen war, rangierte es doch in den Schauspielschulen unter ferner liefen und wurde eher als Stiefkind des Metiers betrachtet. In Interviews klang das manchmal so: „Ich musste während meiner Ausbildung auch manchmal synchronisieren gehen, um mich über Wasser zu halten!“ Das wirkte dann fast wie etwas Anstößiges, das man sich nur unter Vorbehalt und nur des Geldes wegen „antun“ musste. Es soll aber auch gesagt werden, dass viele „Große“ des Theaters und des Films ihre (frühere) Synchron-Arbeit nicht nachträglich verleugnen, sondern als wichtigen Teil ihres Berufsweges betrachten.
Mit den Jahren wurde Synchron als seriöse Tätigkeit unseres Berufes mehr zur Kenntnis genommen, und zuweilen kamen sogar Besuchergruppen von Studierenden in die Ateliers, um sich unsere exotische Arbeit vor Ort anzugucken. Heute dagegen findet man in immer mehr Lebensläufen auch Synchron-Referenzen, und die Nachfrage, in diese Branche hineinzukommen, ist enorm gestiegen.
Für viele, die jetzt einsteigen, sind jedoch manche Produktionsbedingungen, die wir als Verband kritisieren bzw. besser regeln wollen, ganz selbstverständlich und werden selten hinterfragt: Hohe Take-Zahlen, Tag-, Nacht- und Wochenend-Schichten, immer kurzfristigere Termine und nicht zuletzt unterschiedliche Gagen werden als normal betrachtet. Denn wer es nicht anders kennt, bemerkt natürlich auch nicht den Unterschied zu früher.
Es kann nicht unser Ziel sein, die Uhren zurückzudrehen und den „Neuen“ nur „Früher war alles besser!“-Geschichten zu erzählen. Andererseits ist es wichtig, mit allen unseren Mitteln (Gespräche, Infoveranstaltungen, Social Media und nicht zuletzt dem SCHAUSPIEGEL) darüber zu informieren, was schiefläuft, was sich ändern muss und was „erhaltenswert“ ist. Ja, natürlich: Die Zeiten ändern sich, und es verändert sich auch unsere Arbeit. Aber das soll für uns nicht heißen, alles Neue automatisch für das Bessere zu halten, nur weil es eben neu (und meistens digital) daherkommt. Wenn wir weiterhin den Anspruch auf gute Qualität unserer Arbeitsbedingungen und von Produktionen, die nicht nur „Produkte“ sein sollen, erheben, müssen wir das auch kompetent und glaubwürdig vermitteln. Die guten alten Zeiten sind Geschichte. Dann muss man sich eben für gute neue Zeiten einsetzen.

Stefan Krause
Synchronisiert schon seit analogen Zeiten in Hamburg, München und (hauptsächlich) Berlin. Er ist seit Anbeginn Mitglied des IVS und der Gewerkschaft ver.di, seit 2007 in der Redaktion der UNSYNCBAR und seit 2019 in der SCHAUSPIEGEL-Redaktion.
Er lebt, liest und arbeitet autolos & mobil in Berlin-Kreuzberg.