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Brecht dichtete: „Wichtig zu lernen vor allem ist Einverständnis.“, und Müller: „Ich glaube nur an den Konflikt. Sonst glaube ich an nichts.“ Wer verstehen kann, dass diese beiden Gedanken untrennbar zusammengehören, dass wir nur in unseren Widersprüchen eins sein können, besitzt ein Zentrum. Und ist frei. Menschen, die kein Zentrum besitzen, sind unfrei. Sie sind empfänglich für Betäubung, Verführung und Indoktrination, denn sie müssen sich die fehlende Heimat von außen anschaffen. In uns sind die Leiden, die Freuden, die Schmerzen, die Todesangst und die tiefen Glücksmomente unseres Lebens als integrierte Erinnerung immer noch lebendig. Und wir beginnen zu verstehen, wie alles zusammenhängt, wenn wir uns mit der Welt beschäftigen, statt sie auszusperren. Unterhaltung wird gerade in Krisen wichtig, weil sie uns lebendig hält. Sonst wird uns die Fähigkeit abhandenkommen, sich überbordend zu freuen, genauso wie wirklich zu trauern. Denn das erste wirkliche Weinen und Lachen ist jenes über uns selbst.

Krisen sind die Chance, sich dieser Unterhaltung mit sich selbst zu stellen, um daran zu wachsen. Wer sie nicht sucht, wählt ein unselbstständiges und letztendlich totes Leben. Unterhaltung braucht der Mensch, um zu existieren.

PAUL MAXIMILIAN PIRA
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